Alles NEW WORK, oder was?

 

Die Magazine, das Internet, Zeitungen und Konferenzausschreibungen sind voll damit: New Work, Arbeit der Zukunft, agiles Arbeiten, agiles Führen…

Das Thema ist sowohl zum wissenschaftlichen und praktischen Diskurs wie auch zum Modethema geworden. Es boomt und mit ihm die Berateransätze. Die Idee wird als Allheilmittel für die VUKA (volatil, unsicher, komplex und ambigue) Welt verkauft und angepriesen. Ja, auch ich und meine 3 Geschäftspartnerinnen „tümmeln“ uns in diesem Thema, da wir überzeugt sind, dass das Organisieren von Arbeit in der heutigen Form nicht mehr zukunftsfähig ist. Und es scheint ganz nach Viktor Hugo so zu sein: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“. Und davon bin ich überzeugt.

Auf Kundenseite spüre ich oft Überforderung mit diesem Thema. Die Realität im Alltag ist oft so weit weg von den coolen und freudvollen Arbeitsraumkonzepten von Google und Co. Und auch das Führen von Mitarbeitern gestaltet sich nicht wirklich „auf Augenhöhe“. Dies liegt zum großen Teil an der Überforderung der Führungskräfte (vor allem ganz oben), teilweise wird es aber selbst von den Mitarbeitern nicht gewollt. Ganz im Sinne: Ich bin es gewohnt, dass mir gesagt wird, was ich tun oder lassen soll und ich habe mich ganz gut arrangiert. Da hört sich Empowerment, Selbstführung und dezentrale Entscheidungskompetenz eher bedrohlich an, da sie ach so neu ist!

Und doch wissen die Kunden (Führung und Mitarbeiter), dass das Alte nicht mehr funktioniert. Die Gallup Studie (http://www.gallup.de/183104/engagement-index-deutschland.aspx) bestätigt auch für 2016, dass das Engagement Level der Mitarbeiter weiter erschreckend ist (und das kostet richtig Geld). Der „War for talents“ hat längst begonnen, und neue Konkurrenten greifen den angestammten Markt mit neuen Geschäftsmodellen an und disruptieren kräftig mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Agilität ist gefordert. Soviel ist klar.

Somit braucht es ein gründliches Nachdenken über die Zukunft der Arbeit oder NEW Work. Und natürlich auch ein Umsetzen dieser Haltung.

Die Idee von New Work ist übrigens nicht neu. Der Begriff selbst geht auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück. Der Vordenker beschäftigte sich schon seit den 70er Jahren intensiv mit der Beziehung zwischen Mensch und Arbeit und entwickelte ein alternatives Modell zur Lohnarbeit im kapitalistischen Wirtschaftssystem. Dieses Modell nannte er „Neue Arbeit“ und begründete damit eine Bewegung, die bis heute unter diesem Namen bekannt ist. 

Bildquelle: privat - XING Event Berlin 2017, Frithjof Bermann im Interview

Ich hatte die große Freude den heute 87jährigen vor ein paar Tagen in Berlin auf der Bühne zu erleben. Es war berührend ihn so wach und begeistert von seiner Idee und den vielen Projekten der letzten 40 Jahre sprechen zu hören.

Heute wird der Begriff NEW WORK weiter gefasst und für mich ist er am besten beschrieben als Denkansatz und Bewegung zugleich. Ziel ist ein Wandel des Verständnisses und der Ausgestaltung von Arbeit in der Praxis, in den Unternehmen und den Köpfen der Menschen.

Aber da sind wir beim wichtigsten Thema: den Köpfen der Menschen. Wie gelingt die Transformation in den Köpfen der Führungskräfte und Mitarbeiter?

Wir konnten gerade vor ein paar Wochen im Rahmen unseres Check 4.0 mit den Unternehmensvertretern analysieren, dass auf der Dimension „Mensch & Kultur“ das Unternehmen zwischen 1.0 und 2.0 liegt. Da müssen wir nicht kommen mit „Holacracy“ und „integrativer Entscheidungsfindung“. Dies wäre eine komplette Überforderung des Systems und würde schnell als verrückte Idee vom System wieder „ausgespuckt“, da unbrauchbar. Und zu recht in diesem Fall. Dennoch will dieser Kunde sich in Richtung NEW Work und Agilität bewegen, da die Produktentwicklungszeiten zu langsam und die Anzahl der neuen Ideen (sprich Innovationen) zu gering ist.
Es gilt hier also die für dieses Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt sinnvolle Bewegung einzuläuten und sich über kleine und große Schritte in die neue Richtung zu bewegen. Und dann zu schauen, was passiert. Denn es ist nicht klar, wie das System und die darin arbeitenden Menschen reagieren. Es wird ein Experiment. Und dies ist beim Beraten dann wirklich neu, wenn keine Erfolgsgarantie übernommen wird. Dies ist für Kunden die „bitterste Pille““ und das erste „NEW“, was sie verkraften müssen. Es gibt keine Garantie! Es sind Impulse und Einladungen an die Führungskräfte und Mitarbeiter. Wie sie diese annehmen und umsetzen, hängt von sehr vielen Komponenten ab. Eine wichtige ist das individuelle Wertesystem zum Thema ARBEIT. Gemäß einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit (https://www.arbeitenviernull.de/fileadmin/Downloads/BMAS_Halbzeitkonferenzl.pdf) in Deutschland (für die Schweiz wird dies sicher nicht grundlegend anders sein) konnten sieben Wertewelten definiert werden, die sich klar voneinander unterschieden.

  • Sorgenfrei von der Arbeit leben können
  • In einer starken Solidargemeinschaft arbeiten
  • Für den Wohlstand hart arbeiten
  • Engagiert Höchstleistungen bringen
  • Sich in der Arbeit selbst verwirklichen
  • Balance zwischen Arbeit und Leben finden
  • Sinn außerhalb seiner Arbeit suchen

Je nachdem, welcher Wertewelt die Mitarbeiter angehören, wird sich ihr Verhalten unterscheiden, denn ihre Bedürfnisse weichen voneinander ab.

Also ja: NEW WORK ist in gewisser Weise anstrengend, da individuell. Und sie muss im Unternehmen flexibel und sehr authentisch gestaltet werden, wenn sie an die wirklichen Potentiale und das volle Engagement ihrer „Resourceful Humans“ heranwill. Ich mag hier übrigens sehr den Begriff, den Heiko Fischer geprägt und den sein Unternehmen auch so benannt hat: Er spricht nicht mehr von Human Resources, sondern von Resourceful Humans. Dies ist ein neuer Begriff, der das Neue gut fasst, wenn es um die Mitarbeiter geht.

Aber zurück zum Schöpfen des vollen Potentials: Es wird zunehmend erfolgsentscheidender werden für die Unternehmen. Sie können es sich nicht mehr leisten gem. Gallup Studie ca. 70-80% des Mitarbeiterengagements im mittleren bis sehr geringen Niveau „herumdümpeln“ zu lassen.

Wir von fourpointzero nennen dies die Notwendigkeit, eine sogenannte TGIM (Thank God it‘s Monday) -Kultur zu leben. Also Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass Mitarbeiter und Führungskräfte am Montag gerne zur Arbeit kommen und sich gemäß ihren neurobiologischen Grundbedürfnissen und Werten in den Arbeitsprozess einbringen.

Daran kommen die Unternehmen aus unserer Sicht nicht mehr vorbei, wenn sie auch morgen noch erfolgreich im Wirtschaftssystem mitspielen wollen.

Alles NEW WORK, oder was?

Ja, jedoch mit sehr unterschiedlichem Tempo und mit ganz unterschiedlichen Gesichtern.

Es bleibt spannend!

Daniela Thomas

ÜBER DIE AUTORIN

Daniela Thomas ist Mitgründerin und Mitinhaberin von fourpointzero GmbH. Wenn sie nicht gerade für diesen Blog schreibt, dann bereitet sie ihren nächsten Impulsvortrag vor, gestaltet als Kulturarchtitektin mit ihren Kunden den Umbau des „Unternehmenshauses“, coacht Menschen hin zu mehr Lebensqualität im Beruf und Privatleben oder freut sich einfach mit ihrem Labrador Leo über Wiesen und Felder zu springen. Wobei sie das Springen gerne ihm überlasst…

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